„Wie geht es meinem Hundi?“ Das waren die letzten Worte meiner alten, an Demenz vom Typ Alzheimer erkrankten Mutter an mich, bevor sie einen Gehirnschlag erlitt, an dem sie letztendlich starb. Erkannt hatte sie mich, ihre Tochter, nicht mehr – aber an unseren Hund erinnerte sie sich – zum damaligen Zeitpunkt erstaunlich und unverständlich für mich, aber letztendlich für meine weiteren Entscheidungen ein Schlüsselsatz. Zu gleicher Zeit lernte ich im Pflegeheim eine Therapiebegleithundeführerin mit ihren Hunden kennen und ich fasste den Entschluss: das möchte ich auch machen. Wesley war gerade fünf Monate alt, als ich mit der Ausbildung begann.
Nach etwa einem Jahr Hundetraining, zwei jeweils 3-stündigen Vorträgen zum Thema Angst bei Kindern und Demenz und etlichen Assistenzeinsätzen wurde ich mit Wesley in den Bereichen Pädagogik, Geriatrie, Menschen mit Behinderung erfolgreich geprüft und erhielt meine Zertifikate. Ich hatte die Bescheinigung, als Therapiebegleithundeteam mit meiner Hündin Wesley Einsätze durchzuführen. Sehr bald merkte ich jedoch, dass mir Grundlegendes fehlte: die Beziehung zu den Menschen mit denen ich arbeitete.
Ich hatte Folgendes gelernt: in die jeweilige Einrichtung zu kommen, zur Begrüßung, Wesley von jeder Person streicheln zu lassen und ein Leckerli zu geben. Als nächstes ein paar Kunststücke aus unserer Trickkiste vorzuführen und danach zur Verabschiedung: wieder eine Streichelrunde mit Leckerligeben. Ich hatte nicht gelernt, Zugang zu den Menschen zu finden, ja gar nicht zu suchen. Aber gerade das wollte ich doch.
Ich absolvierte eine umfassende Ausbildung in Tiergestützter Intervention. Ein Thema, das so breitgefächert ist, dass Lernen wahrscheinlich nie zu Ende geht. Seit dieser Ausbildung hat sich mein Arbeiten in den Pflegeheimen und Kindergärten die ich besuche, grundlegend verändert: natürlich greife ich immer noch in unsere große Trickkiste, aber vor allem gehe ich auf die Menschen zu und ein, und dazu helfen mir mein Hunde, die mir gerade bei alten, dementen Menschen die Türen öffnen, die mir in der kurzen Zeit, die ich mit den Menschen verbringe, verschlossen bleiben würden. Sehr oft werden zwar meine Hündinnen wiedererkannt, ich aber nicht.
Um noch besser auf die Bedürfnisse der dementen Menschen eingehen zu können, habe ich die Validationsausbildung gemacht. Dies ist eine Methode der Kommunikation mit desorientierten sehr alten Menschen, die von Naomi Feil entwickelt wurde.
Mein Ziel ist es, gemeinsam mit meinen Hunden den alten Menschen, die wir in ihrem trostlosen Alltag besuchen, für kurze Zeit Freude und Farbe in ihr Leben zu bringen, sie zu motivieren, wieder zu sprechen, sich wieder soweit es ihnen möglich ist, zu bewegen, die Feinmotorik die sie täglich brauchen, zu trainieren ( zb. .mit Pinzettengriff ein Leckerli aus einer Schüssel zu nehmen und der Hündin zu geben), gemeinsam für den Hund etwas zu machen, und vieles mehr. Es übersteigt hier den Rahmen alles aufzuzählen, aber eines ist ganz sicher: ohne Hund würden diese Menschen in all diesen Aktivitäten keinen Sinn erkennen und deshalb nicht machen.
Auch mein Arbeiten mit Kindern hat sich grundsätzlich verändert – nicht das Spielen ohne Bezug auf das tägliche Leben steht im Vordergrund, sondern spielerisch mit Tieren umgehen zu lernen, Verständnis für ihre Bedürfnisse zu bekommen und damit Rücksicht zu nehmen, Körpersprache lesen zu lernen, Ängste überwinden, das Selbstwertgefühl zu steigern und vieles mehr.
Ich werde immer wieder gefragt: und das macht dir Spaß? Um Spaß geht es nicht, vor Allem nicht bei der Arbeit mit alten Menschen. Nein, es ist Freude, ein bisschen Licht in das Dunkel der Demenz zu bringen.
(Angelika Reinsperger in „Tiergestützt Aktiv“ 5.Ausgabe Juli 2017)
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